Grafeneck 1940
Nirgendwo sonst in Baden-Württemberg lassen sich die Verbrechen des NS-Staates räumlich und zeitlich so verorten wie in Grafeneck 1940.
Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war die historische Tragweite offenkundig: Grafeneck war 1940 zu einer Menschenvernichtungsanstalt geworden. 10.654 Menschen waren dort 1940 ermordet worden, zu diesem Ergebnis kamen bereits der Tübinger Grafeneck-Prozess des Jahres 1949. Angeklagt waren acht Männer und Frauen, von denen fünf freigesprochen und drei zu insgesamt achteinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt wurden. Die Anklage lautete auf Beihilfe zum Mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Der zentralen "Euthanasie", der so genannten Aktion T4 in den Jahren 1940/41, folgte die dezentrale, die bis Kriegsende 1945 andauern sollte. Hierbei wurden weitere tausende von Menschen direkt in den Kliniken und Heimen Südwestdeutschlands zu Tode gebracht: durch gezielte Einzeltötungen mit Spritzen, durch Medikamente und Nahrungsentzug.
Bis heute sind diese Vorgänge nur in Ansätzen erforscht, vieles, so lässt sich vermuten, wird auch nicht mehr zu klären sein. Diese nüchterne Bilanz kann weder angemessen das Leid der Opfer noch der Überlebenden oder Angehörigen thematisieren. Eine Anerkennung als Opfer von NS-Unrecht, eine angemessene Entschädigung und eine angemessene Form der Erinnerung wurden über Jahrzehnte verweigert.
2014 erst entstand ein nationale Erinnerungsstätte in der Tiergartenstraße 4 in Berlin für die Opfer der NS-"Euthanasie".